04.-05.11.2011
CALL FOR PAPERS
»Tout texte se construit comme mosaïque des citations, tout texte est absorption et transformation d’un autre texte« – so formulierte Julia Kristeva den Grundgedanken einer Theorie der Intertextualität. Der Begriff der Interpiktorialität (andere Begriffswörter sind ›Interpikturalität‹, ›Interikonizität‹ und ›Interbildlichkeit‹) behauptet, dass es sich bei Bildern ähnlich verhält. Bezieht sich ein Bild nicht auch unweigerlich auf andere Bilder, erfolgt nicht jede Bezugnahme eines Bildes als interpiktoriale Referenz?
Doch trotz der grundlegenden Ähnlichkeit der Referenzialität von Texten und Bildern lässt sich im obigen Zitat nicht einfach ›Text‹ durch ›Bild‹ ersetzen, schon weil ›Zitat‹ ein textualistisches Konzept ist, das wesentlich auf der Idee beruht, dass eine Textstelle unter Absehung von ihrer Materialität gleichsam restlos wiedergegeben werden kann, indem ihre Buchstaben reproduziert werden (und nicht ihre Schriftart, ihr Satz, usw.).
Dass es aber keine einfache Übertragung intertextueller Termini auf interpiktoriale Verhältnisse geben sollte, bedeutet nicht, dass es keine Möglichkeit der Ordnung interpiktorialer Bezüge gibt. In dieser Hinsicht sind die Typologien der Intertextualitäsforschung, die Operationen der Installation, der Suggestion und der Absorption (citation, allusion, implicitation, etc. bei Tiphaine Samoyault) oder der ludischen, satirischen oder ernsten Transformation und Imitation (parodie, pastiche, burlesque, etc. bei Gérard Genette) unterscheiden, vorbildlich.
Solche Ordnungsversuche fehlen indes für Referenzen von Bildern auf Bilder, weshalb sich etwa Systematisierungen intermedialer Bezüge mangels Alternativen auf intertextuelle Modelle berufen. Die Bildwissenschaften scheinen unterdessen dem Beispiel der Kunstwissenschaft zu folgen, die sich, nach einem Diktum Gottfried Boehms, »nur selten auf die systematische Seite ihrer Aufgabe« besonnen hat, und erstellen ikonografische Reihen nach Maßgabe entweder rein thematischer oder vage bleibender ›Ähnlichkeiten‹ von Bildern.
Eine Systematisierung interpiktorialer Bezüge aus kunst- und medienwissenschaftlicher Sicht, die vorübergehend an der analytischen Fiktion reiner Bild-Bild-Bezüge festhält (während in der Praxis nur Verbünde von Texten und Bildern begegnen, was W.J.T. Mitchell in der Sentenz »all media are mixed media« festgehalten hat) könnte auch zu einer Klärung des Verhältnisses von Text und Bild beitragen, indem sie die Eigenlogik der Bilder anhand der Unzulänglichkeiten intertextueller Kategorien entwickelt (vgl. Norman Bryson, der statt ›Interpiktorialität‹ von ›Interpenetration‹ spricht).
Dabei stellen sich unter anderen folgende Fragen:
- Welche formalen Eigenschaften begründen die Annahme eines interpiktorialen Bezugs?
- Welche Typen von Bezugnahmen von Bildern auf Bilder gibt es?
- Welche Besonderheiten weisen technische Bilder dabei auf?
- Welchen Beitrag können interpiktoriale Kategorien zur Analyse intermedialer Bezüge leisten?
Erbeten werden kunst-, medien-, bild- oder literaturwissenschaftliche Beiträge zu interpiktorialen Bezügen zwischen ›äußeren‹ Bildern jeglicher Provenienz, vom Gemälde bis zum digitalen Video, die die Formen und Funktionen von Bild-Bild-Bezügen entweder aus systematischer Sicht – das heißt mit dem Ziel der Bestimmung eines Typs oder der Konstruktion einer Typologie – oder ›vergleichender‹ Perspektive – das heißt in Relation zu intertextuellen oder intermedialen Kategorien – analysieren.
Abstracts (200 Wörter) für Vorträge von 20 Minuten Länge bitte bis 15.07.2011 an:
Dr. Guido Isekenmeier Ruhr-Universität Bochum Englisches Seminar guido.isekenmeier@rub.de Institut für Kulturforschung Heidelberg Projekt ›Beobachtung visueller Kultur‹ isekenmeier@kulturforschung-hd.de